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Augentropfen gegen Alterssichtigkeit: Mythos oder Wirklichkeit?

mag. Kristina Mikek, dr. med.

mag. Kristina Mikek, dr. med.
Fachärztin für Augenheilkunde

11302-3 min06. 08. 2025

WeitsichtigkeitAlterssichtigkeitSehschärfe

Mit zunehmendem Alter verändert sich unser Sehvermögen. Fast alle bemerken etwas sehr Alltägliches die Nahsicht wird schlechter. Kleingedrucktes zu lesen fällt schwerer, wir halten Bücher oder das Handy weiter weg, um klar zu sehen, und plötzlich wird uns bewusst, dass es ohne Lesebrille nicht mehr geht. Dieser Zustand wird Alterssichtigkeit oder Presbyopie genannt. Weltweit sind rund zwei Milliarden Menschen betroffen. Die Symptome beginnen in der Regel zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr und nehmen mit der Zeit zu. Lange Zeit waren Brillen, Kontaktlinsen oder chirurgische Eingriffe die einzigen Lösungen doch nun rücken auch Augentropfen in den Fokus.

Im Jahr 2021 hat die US-Arzneimittelbehörde FDA das erste Medikament in Form von Augentropfen zur Linderung der Presbyopie zugelassen: Vuity, mit dem Wirkstoff Pilocarpin. Dieser verengt vorübergehend die Pupille und verbessert dadurch die Nahsicht. Die Wirkung setzt etwa 15 Minuten nach dem Eintropfen ein und hält bis zu sechs Stunden an. Für viele bedeutet das, dass sie zumindest für einige Stunden am Tag ohne Brille lesen, arbeiten oder das Handy benutzen können.

In den letzten zwei Jahren sind weitere Optionen aufgetaucht. Im Jahr 2023 wurde das Medikament Qlosi zugelassen, ebenfalls mit Pilocarpin, jedoch in niedrigerer Konzentration das senkt das Risiko von Nebenwirkungen und verlängert die Wirkung leicht. Im Jahr 2025 folgte eine spannende Neuheit: die Tropfen Vizz. Sie enthalten den Wirkstoff Aceclidin, wirken schneller und zuverlässiger und verursachen deutlich weniger Nebenwirkungen als Präparate mit Pilocarpin. In den USA wurden Vizz-Tropfen im Juli dieses Jahres zugelassen, in Europa steht ihre Einführung noch bevor.

Darüber hinaus laufen Studien zu weiteren Kombinationstropfen, etwa Brimochol PF, das Carbachol und Brimonidin kombiniert, oder Tropfen mit Phentolamin. Letztere wirken anders sie verändern nicht die Pupillengröße, sondern entspannen die Augenmuskeln und verbessern so die Tiefenschärfe.

Trotz aller Fortschritte gibt es Einschränkungen. Die Wirkung der Tropfen ist vorübergehend und hält meist nur einige Stunden an. Sie beseitigen nicht die Ursache der Alterssichtigkeit die zunehmende Verhärtung der natürlichen Augenlinse. Außerdem sind sie nicht für jeden geeignet. Nebenwirkungen können vorübergehend verschwommenes Sehen, Trockenheitsgefühl, Kopfschmerzen oder Probleme bei Dunkelheit sein ein möglicher Nachteil für Menschen, die oft nachts Auto fahren. Auch das Alter spielt eine Rolle: Bei Jüngeren mit beginnender Presbyopie wirken sie besser als bei fortgeschrittener Ausprägung.

Für viele bieten diese Tropfen jedoch eine praktische und unkomplizierte Lösung besonders bei besonderen Anlässen, auf Reisen oder bei Terminen, bei denen eine Brille stört. Wichtig ist, die Tropfen als Ergänzung und nicht als Ersatz für Brillen oder als dauerhafte Lösung zu sehen.

Zusammengefasst: Augentropfen gegen Alterssichtigkeit sind längst kein Mythos mehr. Sie gehören heute zu den sich rasant entwickelnden pharmakologischen Möglichkeiten in der Augenheilkunde.

Sie sind real, wissenschaftlich fundiert und klinisch erprobt aber mit gewissen Einschränkungen. Vor der Anwendung sollte stets eine augenärztliche Beratung erfolgen, um festzustellen, ob sie zu den individuellen Augen und zum Lebensstil passen.

Vielleicht erleben wir in Zukunft auch Tropfen, die die verhärtete Linse wieder weich machen und eine langfristige Lösung bieten. Doch im Moment bleiben Augentropfen ein nützliches wenn auch vorübergehendes Hilfsmittel im Umgang mit der Alterssichtigkeit.